Künstliche Intelligenz auf Wienerisch

Das Jahresende steht bevor und die Rückblicke fluten meine Timeline auf den sozialen Medien. Ein Tenor unter meinen – zugegebenermaßen ziemlich techlastigen Kontakten – ist, dass 2022 das Jahr der künstlichen Intelligenz gewesen sei. Das Jahr, wo der Durchbruch gekommen sei und wir zum ersten Mal erahnen können, wie massiv KI unser Leben beeinflussen und verändern wird.

In meinem Dunstkreis sagt man das schon seit Jahren, und ich selbst habe nicht zuletzt in meinem 2020, rechtzeitig zum Pandemie-Beginn erschienenen Buch über KI, Wenn Affen von Affen lernen, solche Vorhersagen gemacht und Beispiele gebracht, wie KI Bilder malt, Musik komponiert und Drehbücher schreibt. Oder Auto fährt.

Was ist Intelligenz im künstlichen und menschlichen Sinn? Können Maschinen Bewusstsein entwickeln und wie würden wir das erkennen? Sind Maschinen fähig, Empathie zu zeigen und zu fühlen?

Das Buch verdeutlicht die vielfältigen Chancen und positiven Auswirkungen von KI auf alle Aspekte des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.

Spannende Gespräche mit KI-Vordenkern und KI-Praktikern aus dem Silicon Valley vermitteln dem Leser wertvolle neue Erkenntnisse und Mindsets. Ein unentbehrlicher KI-Ratgeber für Gegenwart und Zukunft!

€24,99 | 304 Seiten | 27.2.2020
Amazon | Plassen-Buchverlag

Für manch einen klingt das bedrohlich und der Vorwurf wird sogleich vorgebracht, dass KI nicht kreativ sein kann, da sie nur auf den kreativen Schöpfungen von Menschen aufbaut. Doch das ist eine falsche Argumentation, denn kein menschlicher Kreativer beginnt bei Null, sondern steht auf den Schultern von Titanen. Auch gab uns die britische Kognitionswissenschaftlerin Margaret Boden schon vor Jahrzehnten eine Definition von Kreativität. Sie unterschied grob drei Formen: die kombinatorische, die beispielsweise zwei Stilrichtungen zusammenbringt (Tango gepaart mit Elektronischer Musik = Elektrotango); die explorative Kreativität, die alle Randbereiche von erforschten Bereichen abklappert (nach der blauen Periode die rote Periode). Diese beiden sind gemäß Boden für mehr als 99% der kreativen Schöpfungen zuständig. Als letzte und seltenste Form beschrieb sie die transformative Kreativität, die unseren Denkrahmen verändert. Als Beispiel können wir hier die Relativitätstheorie anführen.

Und zumindest bei den ersten beiden Formen von Kreativität, der kombinatorischen und der explorativen, kann KI ihre Wirkung zeigen, denn sie eignen sich hervorragend kreativ zu sein. Doch wir sollten nicht den Untergang der Zivilisation ausrufen, wie es Moralunternehmer so gerne machen, nur weil eine neue Technologie da ist, die einen Teil menschlicher Arbeit übernehmen kann. Wir sollten uns doch eigentlich – und damit meine ich, wenn man mal ernsthaft darüber nachdenkt – doch mehr an Kreativität wünschen. Wenn KI uns mehr schöne Musik, mehr schöne Bilder, mehr schöne Texte liefern kann, dann nur her damit. Und sie können uns inspirieren und neue Ideen für eigene Kreativität geben, wie schon AlphaGo den besiegten Go-Weltmeister Lee Sedol neue Wege zeigte, wie man Go spielen kann.

2022 kamen gleich mehrere künstliche Intelligenzen in den Fokus der Öffentlichkeit, die erstaunliche Ergebnisse lieferten. Einerseits DALL-E, eine KI die anhand von einigen wenigen Anweisungen Bilder schaffen kann. Das Titelbild dieses Blogs stammt von DALL-E. Dann kam Lensa, eine KI-App, mit der man Selfies automatisch künstlerisch veredeln konnte. Und als jüngste KI kam ChatGPT auf den Markt, mit der Texte geschaffen und Konversationen geführt werden können. Und diese letztere hat beispielsweise Panik unter Lehrern, Poeten, aber auch bei Google hervorgerufen. Panik bei den Lehrern, weil Schulaufsätze durch ChatGPT so gut erzeugt werden, dass es Menschen fast unmöglich wird sie von menschlichen Werken zu unterscheiden. Poeten, weil sie Angst haben, dass sie nun überflüssig werden. Und Google, weil hier eine völlig neue Form von Suche und Antwort möglich wird. Und damit bricht ein wichtiges Geschäftsstandbein bei Google weg, denn mehr als 80 Prozent des Einkommens wird durch die bei Suchen geschaltete Werbung verdient. Und die Möglichkeiten von ChatGPT drohen dieses Geschäft zu zerstören. Dabei unterschätzen wir ChatGPT massiv, doch dazu gleich mehr.

Hier werden gleich die Skeptiker wach, weil sie sich wiederum darin bestätigt sehen, dass solche KI nur dazu dient, dass Unternehmen viel Geld damit scheffeln können. Und sie haben recht, doch anders, als gedacht. Der britische Berater und Suchmaschinenexperte Danny Richman coacht seinen Freund Ben Whittle, der einen Gartenbaubetrieb gestartet hat. Der 31-jährige Ben leidet allerdings an Dyslexia, einer Lese- und Rechtsschreibstörung, die ihm im professionellen Umfeld sehr zu schaffen macht. Richman veröffentlichte eine der typischen E-Mails, die Ben schreiben würde, und wüsste man nichts von Bens Dyslexia, man würde rasch einen anderen Dienstleister suchen. Hier ist ein Beispielsatz:

Sally ich bin anfangen arbeiten bei dir Montag von Dave

Richman schrieb eine kleine App, die auf GPT-3 von OpenAI aufsetzt und diese Art von E-Mails in einen professionell klingenden und besser verständlichen Text umwandelt:

Liebe Sally,
Ich hoffe, dass es Ihnen gut geht. Ich schreibe Ihnen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich am Montag mit der Arbeit bei Ihnen beginnen werde. Ich freue mich schon sehr darauf.
Wenn Sie Fragen haben oder Hilfe brauchen, zögern Sie bitte nicht, sich zu melden.
Mit freundlichen Grüßen,
Dave

Kennengelernt hatte Richman Whittle, als er ein Problem in seinem Badezimmer hatte. Die beiden befreundeten sich rasch und Richman bemerkte seine Dyslexia. Nachdem er über seine Pläne sprach, seinen Betrieb zu erweitern und auch Swimming Pools zu installieren, half ihm Richman zuerst mit dem Umschreiben seiner E-Mails. Doch dann kam ihm die Idee, GPT-3 dafür einzusetzen und nach nicht einmal 15 Minuten hatte er eine App fertig. Diese erwies sich seither als immense Hilfe für Whittle, der seinen ersten großen Auftrag im Umfang von £200.000 ergattern konnte.

Eine KI spricht Wienerisch

Eine neue Anwendung, die auf GPT-3 aufsetzt, ist ChatGPT. Und die ist nicht nur eine für den englischsprachigen, also einen „ganz fernen“ Markt interessante Technologie, sie kann auch Deutsch und sogar Wienerisch. Und das habe ich gleich getestet, indem ich ihr Fragen stellte, die vor allem mit meiner Heimatstadt Wien zu tun hatten. Anstatt wie bei Google nur eine Sammlung von Links zu erhalten, aus denen ich mir die Antworten selbst erarbeiten muss, liefert ChatGPT natürliche Antworten. Kombiniert mit einer Sprachausgabe wird diese KI zu einem sehr klugen – oder zumindest klug klingenden – Gesprächspartner und einer hilfreichen Auskunftsperson.

Wie solche natürlich klingenden Antworten aussehen können, testete ich mit der Frage, wie ich am Besten vom Stephansplatz in Wien zu meiner alten Adresse auf der Mariahilfer Straße kommen kann. ChatGPT offerierte vier Möglichkeiten:

Beeindruckend? Ja und nein, denn bei genauerem Blick sind die Anweisungen eher dürftig und nicht gänzlich korrekt. Ich kenne die Strecke wie meine Westentasche und weiß, das diese Strecke zu Fuß nur im Sprint in 15-20 Minuten zu bewältigen ist. Ich schätze sie mehr auf 45-60 Minuten. ABER, und das ist ein großes ABER, es handelt sich hier um die erste Version von ChatGPT, die nur auf Daten bis 2021 basiert. Wir können sehr rasch dramatische Steigerungen erwarten, die aktuellere, detailliertere und vor allem maßgeschneidertere Information präsentieren wird.

Ganz der Wiener der ich bin, fragte ChatGPT nach einer Erklärung von Wiener Schmäh in den Worten von Ostbahn Kurti:

Auch wenn ChatGPT im Einleitungsabsatz nicht ganz meiner Anweisung folgte, im Stil von Ostbahn Kurti zu antworten, so zitiert sie ihn immerhin zum Wiener Schmäh. Ich warte schon darauf, dass die KI auch Humor nicht nur versteht, und dann nochmals die subtilere Form des Wiener Schmähs, sondern auch selbst kreativ wird und „einen Schmäh drauf“ hat.

Als letzte Frage wollte ich von ChatGPT auch noch wissen, was denn der Unterschied zwischen Steirern und Wienern ist. Das Ergebnis wollte ich in Form von drei Vierzeilern.

OK, Vierzeiler wurden es zwar nicht, sondern eher Zweizeiler, ohne Reim. Und auch nochmals ein zarter Hinweis, dass es sich um Klischees handelt. Doch wie manche behaupten, erleichtern Klischees das Zusammenleben ungemein. Tja, und eben auch ein Werkzeug wie künstliche Intelligenz.

Wer mehr zu künstlicher Intelligenz wissen will, und vor allem wie sie uns mehr Mensch sein lässt, dem lege ich mein Buch Wenn Affen von Affen lernen ans Herz.

Was ist Intelligenz im künstlichen und menschlichen Sinn? Können Maschinen Bewusstsein entwickeln und wie würden wir das erkennen? Sind Maschinen fähig, Empathie zu zeigen und zu fühlen?

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Spannende Gespräche mit KI-Vordenkern und KI-Praktikern aus dem Silicon Valley vermitteln dem Leser wertvolle neue Erkenntnisse und Mindsets. Ein unentbehrlicher KI-Ratgeber für Gegenwart und Zukunft!

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