Wenn wir an Muhammad Ali denken, dann haben wir das Bild eines legendären Boxers vor unserem geistigen Auge, einer, der mit einer betörenden Fußarbeit seine Gegner umtanzte und sie mit herabhängenden Armen geradezu provozierte, um sie in seine schnellen Faustkombinationen laufen zu lassen. Seine große Klappe und frechen Sprüche taten ein Übriges, dass er zum Liebling der Medien und des Publikums wurde. Doch zur Legende wird man nicht mit einer großen Klappe. Dazu benötigt man eine Herausforderung oder Gegner, die groß genug sind, um die Legendenbildung zuzulassen.
Bei Ali denken wir auch an Joe Frazier, Sonny Liston oder George Foreman, Gegner, die Ali im Kampf um den Weltmeistertitel alles boten, nur keinen Spaziergang. Diese Gegner machten Ali erst zur Legende, ohne sie wäre er nie zur Legende geworden. Auch Earvin ,Magic‘ Johnson, einer der NBA-Basketballlegenden bei den LA Lakers, stach durch seine Rivalität mit Larry Bird von den Boston Celtics hervor. Über Jahre hinweg trafen sie immer wieder aufeinander, stachelten sich gegenseitig zu immer besseren Leistungen an und transformierten dabei die NBA. Obwohl die beiden auf dem Spielfeld Rivalen waren, waren sie privat die besten Freunde. Einer konnte ohne den anderen nicht existieren. Der Gedanke, dass Larry Bird einen besseren Rebound schaffte als er, motivierte Johnson, noch härter zu trainieren – und umgekehrt. Wie sehr die beiden einander benötigten, sah man, als Magic Johnson 1991 als Aktiver zurücktrat. Ein Jahr später gab auch Larry Bird seinen Rücktritt bekannt, er hatte seinen ebenbürtigen Rivalen verloren.
Wie sehr solche Art von Rivalität notwendig ist, zeigt der Kampf um den Titel der Ultimate Fighting Championship von 2017 zwischen Floyd Mayweather und Conor McGregor. Die Enthüllung, dass nach dem Kampf der Gewinner Mayweather in seiner Residenz in Beverly Hills zwei gleich große Porträts von sich und seinem Gegner nebeneinander an die Wand hängte, überraschte viele Fans. Ohne einen solchen herausfordernden Gegner zählte ein solcher Sieg nicht viel und das honorierte Mayweather, dem das nur allzu bewusst war.

Selbst ‚Bösewichte‘ in Filmen wollen keine Siege, die einem in den Schoß fallen. In der Komödie ‚Das große Rennen rund um die Welt‘ verkörpern Tony Curtis als Leslie Gallant III. und Jack Lemmon als durchtriebener Professor Fate zwei Abenteurer, die mit ihren Automobilen an einer Wettfahrt von New York quer durch die USA über Asien nach Paris teilnehmen. In der rasanten Komödie kommt es zu allerlei Verwicklungen und turbulenten Zwischenfällen unter den Teilnehmern, wobei Tony Curtis mit seiner unterwegs aufgegabelten Konkurrentin, der emanzipierten Maggie Dubois, gespielt von Nathalie Wood, immer wieder heftig aneinandergerät. Knapp vor der Ziellinie unter dem Eiffelturm liegen Leslie und Maggie vorn, als sie sich ihre Liebe gestehen und den Wagen anhalten, um sich zu küssen. Professor Fate saust an ihnen triumphierend vorbei und holt sich den Sieg. Doch sobald er den Siegerkranz um den Hals trägt, ändert sich seine triumphierende Miene zu Zorn. Er beschimpft Leslie Gallant, dass er ihm den Sieg geschenkt habe, und auf solch einen Sieg pfeife er. An Ort und Stelle fordert er Leslie zu einer Neuauflage des Wettrennens heraus, damit er sich den Sieg nun ‚ehrlich‘ verdienen kann.
Ein geschenkter Sieg ist kein Sieg. Einer gegen einen zu schwachen Gegner befriedigt nicht. Man muss den Gegner respektieren können, um seine eigene Leistung zu würdigen und darauf stolz zu sein. Der Gegner, die Herausforderung muss einen Namen haben. Im Animationsfilm ‚Kung Fu Panda‘ aus dem Jahr 2008 fällt bei einem Kampf zwischen dem bösen Kung-Fu-Krieger Tai Lung – einem Tiger – und den Furiosen Fünf unbeabsichtigt der Name des sogenannten ‚Drachenkriegers‘, den Tai Lung besiegen muss, um die mysteriöse Drachenrolle in seinen Besitz zu kriegen. Als Tai Lung den Namen hört, legt sich ein befriedigtes Lächeln um seine Lippen und er sagt zu sich selbst: „Po! Das ist also sein Name! Unser Kampf wird zur Legende werden!“

Rivalität hat somit eine unterschiedliche Signatur als diejenige, die wir vermeintlich als solche bezeichnen. Lange Zeit machten sich heimische Automobilbauer über den nordamerikanischen Rivalen Tesla lustig. Weder nahm man ihn ernst, noch ließ man sich von ihm inspirieren. Selbst mit jedem Jahr, das ins Land zog, und mit jedem neuen Schlag, den man erhielt, nahm man den Gegner immer noch nicht ernsthaft als Rivalen wahr. Doch selbst als er nicht mehr zu ignorieren ist, wird er noch immer nicht ernst genommen. Stattdessen wird man wehleidig, schiebt die Schuld für das eigene Versagen auf alle anderen, auf unfaire Vorteile, die der Gegner erhalte, und sieht sich benachteiligt. Der Gegner wird nicht als Quelle der Inspiration gesehen, sondern als Problem, das nicht weggehen will.
Bei Tesla begann das mit dem Schmunzeln über Elektroautos, deren Reichweite, der Fertigungsqualität der Autos, der übertrieben klingenden Versprechungen und Ankündigungen. Man selbst machte so weiter wie bisher, fand beim Rivalen nichts, was man meinte, lernen zu müssen. Nachdem der kleine Rivale zum Giganten wird und einen immer mehr selbst in Bedrängnis bringt, ändert man die Taktik. Man lenkt ab, spricht von den Erfolgen, die nur dank Zwangsarbeit in China, unverschämten Förderungen in den USA oder vom Bundesland Brandenburg kämen, weist auf die vermuteten schlechten Arbeitsbedingungen beim Rivalen hin, die amerikanische Unternehmen ‚bekanntermaßen’ hätten. Man findet mit scharfen Augen alle Fehler beim Gegner, ist aber blind, wenn es um seine Stärken geht.
Hilft das nicht, attackiert man die Person. Elon Musk sei naiv, großmäulig, ein sklaventreibender Manager, ein Betrüger, der keine Ahnung hat, ein Marihuana-Raucher und überhaupt. Als der deutsche Unternehmer und Risikokapitalgeber Frank Thelen, der Öffentlichkeit vor allem bekannt durch seine Rolle als Jurymitglied in der Start-up-Show ‚Die Höhle der Löwen‘, meinte, „Kinder sollten lernen, wie Elon Musk und Jeff Bezos zu denken“, brach eine Welle der Kritik über ihn herein. Diese Personen seien keine Vorbilder und so wollten wir nicht sein.
In diesen Aussagen manifestiert sich nicht Rivalität, sondern in gewisser Weise der Neid und das Wissen, dass man es nie so weit bringen würde. Nicht etwa, weil man nicht das Talent oder Können hat, sondern schlicht und einfach wegen des mangelnden Willens, den Hintern hochzukriegen, große Visionen zu haben und sie versuchen umzusetzen. Und wenn es hier nicht möglich ist, dann dorthin zu gehen, wo das Ökosystem es fördert. Immerhin ist jemand wie Elon Musk aus Südafrika, einem Land, in dem die Ausgangsposition doch etwas anders ist als in Europa, dorthin gegangen, wo es ihm möglich war.
Man richtet sich an Rivalen auf. Die USA und Russland wären nie so rasch und erfolgreich ins Weltall gestartet, wenn es diese Rivalität nicht gegeben hätte. Daimler und BMW standen in Rivalität zueinander, die so lange dauerte, bis man sich einrichtete und Absprachen machte, bei denen man sich nicht wehtat. Und da begann der Stillstand, der zu Selbstgefälligkeit führte, bis ein Rivale aus dem Nichts auftrat und vorbeisauste. Wir suchen uns gar keine würdigen Rivalen mehr, um an ihnen zu wachsen. Wenn unsere Messlatten die Abgasnormen und Emissionsgesetze sind, dann geschieht uns der Sturz in die Bedeutungslosigkeit zu Recht. Wir müssen wieder würdige Rivalen identifizieren und so Ansporn erleben. Wir müssen endlich wegkommen von der Wehleidigkeit.