Alle paar Jahre passiert es aufs Neue: der Staat muss eingreifen, um Banken, Unternehmen und Menschen vor dem Kollaps zu retten. 2008 war es die Finanzkrise, 2000 das Platzen der Internetblase, 1987 der Schwarze Montag, 1973 der Ölpreisschock. Und 2020 die Corona-Krise. Und das sind nur Krisen, die sich global auswirkten. Die lokalen Krisen die dazwischen stattfanden, sind nicht erwähnt. Die Wikipedia listet mindestens 50 lokale und globale Wirtschaftskrisen zwischen dem 19. und dem Heute auf.
Jede Krise ist – mikroskopisch betrachtet – durch andere Ursachen verursacht. So war die Finanzkrise von 2008 durch die Spekulation bei Immobilien, basierend auf einer ungezügelten Kreditvergabe an nicht kreditwürdige Personen und durch das Schnüren von scheinbar vorzüglichen, aber wie sich herausstellen sollte, sehr riskanten Wertpapieren auf diesen Krediten, verursacht. Das Platzen der Internetblase war einem realitätsfremden Investieren in schwindlige Unternehmen zu verdanken. Der Ölpreisschock resultierte aus der Ankündigung, dass Erdöl verknappt werden soll, zu einer preisgetriebenen Depression, auch wenn Erdöl auf den Weltmärkten tatsächlich nie knapper wurde. Und die aktuelle Corona-Krise brachte die Weltwirtschaft zu einem plötzlichen Stillstand der Wirtschaft, weil staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemieausbreitung die Menschen zum Daheimbleiben zwang.
Makroskopisch betrachtet macht das wenig Unterschied für die Staaten und Gesellschaften. Hunderte Milliarden an Hilfspaketen müssen geschnürt werden, die an Banken, Luftfahrtgesellschaften und die für das jeweilige Land als wichtigsten Industrien betrachteten Unternehmen. Millionen Arbeitnehmer verlieren ihren Unterhalt, ihre Bleibe, ihren Besitz, während Vorstände und Investoren oft ungeschoren davon kommen.
Finanzkrise 2008
So wurden beispielsweise bei der Finanzkrise von 2008 weltweit ganze 47 Bankenvorstände zu Gefängnis verurteilt, davon 25 in Island, 11 in Spanien, 7 in Irland, und jeweils einer in Zypern, Italien, Deutschland und den USA. Wissend, dass die Finanzkrise 2008 von den USA ausgingen, ist das doch erstaunlich. Die schuldigen Banker wurden nicht nur nicht bestraft, sondern noch belohnt. Selbst die Vorstände der Pleitebanken wie Lehmann Brothers und Bear Stearns, oder dem kollabierten Versicherer AIG, erhielten großzügige Boni in Höhe von hunderten Millionen.
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Die auf staatliche Hilfen angewiesenen Banken nahmen damals die Billionen an Bailout-Geldern mit offenen Armen entgegen, und verwendeten sie zu anderen Zwecken, als vom Staat beabsichtigt. Sie wurden nicht zur Aufrechterhaltung der Liquidität für Kredite verwendet, sondern gehortet und zum Aufkauf schwächerer Konkurrenten genutzt. Viele der Krisenverursacher kamen gestärkt aus der Krise, während einfache Arbeitnehmer arbeitslos und Kleinunternehmer in die Pleite getrieben wurden.
Corona 2020
Die Corona-Krise zeigt auf den ersten Blick ein etwas anderes Bild, bei genauer Betrachtung kommen aber sehr ähnliche Verhaltensweisen und Ursachen zum Vorschein. Klar, eine Pandemie wird nicht von Unternehmen verursacht, aber wie sie sich ausbreitet, wie widerstandsfähig die Unternehmen sind, und wie sehr ihnen die Marktwirtschaft egal ist wenn es ihnen selbst schlecht geht, sehr wohl.
So polterte der CEO von United Airlines vor ein paar Wochen, dass der Luftfahrtindustrie im Allgemeinen und seinem Unternehmen im Speziellen geholfen werden soll. Er vergaß dabei zu erwähnen, dass United in den letzten zehn Jahren 96 Prozent des freien Cashflows – immerhin 12,5 Milliarden Dollar – dazu verwendet hatte, eigene Aktien rückzukaufen. Klar, dieses Geld, das nicht dazu verwendet worden das eigene Angebot zu verbessern, sondern den Aktienkurs und damit die Vorstandsboni in die Höhe zu treiben, fehlte nun als Rücklagen in einer Krise.
Wer meint, nur die Vorstände in den USA sind davon betroffen, werfe einen Blick auf die Lufthansa. Auch hier fordert Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr eine staatliche Hilfe, bei gleichzeitiger Warnung, doch bitte jetzt nicht für die 9 Milliarden Euro und 25-Prozent-Anteil einen Vorstandssitz für den Staat zu erwarten oder andere Bedingungen zu stellen. Man reiche das Geld rasch rüber, aber staatliche Aufsicht oder Bedingungen, die zu mehr Klimaneutralität führen, unterlasse man doch bitte. Und es wisse doch jeder, dass der Staat nicht wirtschaften könne.
Bedingungen & Konsequenzen
Dass es anders geht sieht mein bei den Nachbarn in Frankreich und den Niederlanden. Dort wurde die staatliche Hilfe an die Air France-KLM in Höhe von 7 Milliarden Euro an die Bedingung geknüpft, Inlandsflüge auf Routen zu eliminieren, die mit dem TGV in weniger als 2,5 Stunden zu bewältigen sind.

Wir könnten diese Liste mit einer langen Reihe an weiteren Unternehmen füllen, die sich ebenso als systemrelevant sehen und vom Staat rausgeboxt werden sollten. Die Autoindustrie fällt einem da sofort ein, und – wie ja niemand erwarten kann – bitte bloß nicht auf die verwegene Idee kommen, eine Abwrack- oder Kaufprämie an irgendwelche Umweltauflagen zu knüpfen. Jetzt gelte es Arbeitsplätze rasch zu sichern. Dabei gäbe es eine Reihe von wirksamen Ansätzen, sowohl den Unternehmen zu helfen als auch dem Klima etwas gutes zu tun.
Bedenklich wird es, wenn dieselben Unternehmen Staatshilfe in Anspruch nehmen wollen und Steuergelder fordern, aber alles tun, um selbst keine Steuern zahlen zu müssen. Die Süddeutsche Zeitung zeigt in einer Gegenüberstellung, welche heimischen Unternehmen in Steueroasen Niederlassungen haben und damit Steuerzahlungen optimieren können. Dänemark zeigte schon vor, dass es auch anders gehen kann. Dort dürfen Unternehmen das Hilfspaket in Anspruch nehmen, wenn sie ihren Sitz nicht in einem Steuerparadies haben.
Wir merken schon, dass hier etwas getan werden muss. Es kann nicht sein, dass die tolle kapitalistische Marktwirtschaftt alle 10 bis 15 Jahre von den Staaten mit Milliardenbeträgen herausgeboxt werden muss. Während die Unternehmen das überleben und die Vorstände sogar noch Boni beziehen und die Aktionäre Dividenden erhalten, werden Millionen von Arbeitnehmern in den Ruin getrieben.
Knast für Bailouts
Viel hat das damit zu tun, dass wir Unternehmensvorstände und Investoren nicht ausreichen zur Rechenschaft ziehen. Es muss striktere Vorschriften für Finanzrücklagen und dem Schutz von Arbeitnehmern geben. Auch die Beteiligung von Angestellten am Unternehmenserfolg muss neu diskutiert werden. Hier haben in den letzten Jahren die Staaten und die Gewerkschaften versagt, weil die Schere zwischen Produktivitäts- und Lohnsteigerungen auseinander gegangen sind. Gleichzeitig ist die Lage viele unselbständig Beschäftigter prekärer geworden. Die Gig-Economy lässt diese Arbeitnehmer durch den sozialen Rost fallen.

Andrew Yang, Unternehmer, Investor und ehemaliger Kandidat für die US-Präsidentschaftswahlen 2020, schlägt sogar radikale Maßnahmen vor, um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen sicherzustellen und deren Gebaren zu verbessern. Für jedes 100 Millionen-Inkrement an Strafzahlungen oder Bailouts sollten der CEO und der größte Investor ein Monat in den Knast. Wenn beispielsweise im Dieselskandal Volkswagen oder Daimler zu Milliardenstrafzahlungen verurteilt werden, sollten der CEO und der Vorsteher des größten Investors für jede 100 Millionen an Strafen jeweils ein Monat gesiebte Luft atmen. Bei 29 Milliarden Dollar, die alleine Volkswagen schon zu zahlen hatte, wäre das jeweils lebenslange Haft für Winterkorn und einem Mitglied der Familie Piëch gewesen. Und dann würden wir nicht mehr über eine Abwrackprämie sprechen, sondern VW alleine hätte 29 Milliarden um die Krise länger zu überstehen.
Oder betrachten wir die Lufthansa oder United Airlines und deren Forderungen nach Hilfspaketen. Für jede Milliarde die ihnen wegen Aktienrückkäufen nun als Krisenrücklage fehlt und die sie vom Staat in einem Hilfspaket fordern, sollten sie und der größte Investor einen Monat in den Knast gehen. Munoz und Spohr, sowie der größten Investoren jeweils ein Monat gesiebte Luft atmen erlaubt nachzudenken, welche Entscheidungen man für die eigene Tasche und welche für die Gesellschaft gemacht hat.
Was sich schnell ändern würde, wäre ein langfristigeres Denken und eine große Bereitschaft aus der Wirtschaft ein Konzept wie das bedingungslose Grundeinkommen zu unterstützen. Aktuell können die großen Unternehmen jedes Risiko auf sich nehmen, Gewinne privatisieren, aber Verluste dann verstaatlichen. Das muss abgestellt werden.
Und wenn alle ein bedingungslose Grundeinkommen beziehen würden, dann wäre als Effekt eine wirtschaftliche Basis geschaffen, die auch während einer Krise ein aktives Wirtschaftstreiben ermöglichte. Ein Grundniveau wäre dann immer da, machte die Planungen berechenbarer und die Fluktuationen der Wirtschaftsaktivitäten wäre weniger volatil. Und wir könnten es uns bereits heute leisten. In Deutschland erhalten nämlich von 10 Menschen 4 ihr Einkommen durch Erwerbsarbeit, 3 als Angehörige, 2 beziehen Rente oder Pension, und 1 erhält Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Oder anders gesagt: Die Mehrheit der Menschen in Deutschland lebt von irgendeiner Art Transferzahlung. Die Mehrheit! Im Umkehrschluss ist es eine Minderheit, die von Erwerbsarbeit lebt und Steuern zahlt.
Verschwenden wir niemals eine gute Krise und setzen nun die richtigen Maßnahmen. Worauf warten wir eigentlich noch?