Die Inkompetenz von Zynikern – Eine Studie

Eine Kritik zu meinem Buch über künstliche Intelligenz, Wenn Affen von Affen lernen, bescheinigte mir als Autor indirekt Navität. Der Kritiker meinte:

Ich habe kaum Argumente gefunden für KI, aber vielleicht weil ich nicht die Gefahren verharmlosen möchte.

Bei meinen Vorträgen zu Technologietrends, die ich aus einer eher techno-optimistischen Perspektive betrachte, begegne ich immer wieder Zuhörern, die sich auf die Gefahren und Risiken einschießen und meine optimistische Betrachtung als naiv darstellen. Sie kommen sich dabei oft recht schlau vor, weil sie doch die Probleme mit dem neuen Zeugs erkannt haben. Dabei ist es viel einfacher, Probleme zu erkennen, als sich Chancen und Möglichkeiten auszumalen. Ich fand deshalb die Rolle der Kritiker immer als etwas naiv und denkfaul. Einige der Kritiker sehen sich gern darin, sie nehmen dabei sogar die Rolle von Moralunternehmern ein, die damit Aufmerksamkeit erheischen und damit gelegentlich ihren Lebensunterhalt bestreiten. Oft legen sie eine recht zynische Weltsicht dar.

War die ursprüngliche Bedeutung von Diogenes Zynismus etwas, das unter anderem die Bedürfnislosigkeit und einen gewissen Skeptizismus verfolgte, so wird sie heute eher als eine Haltung, Denk- und Handlungsweise gesehen, die durch beißenden Spott geprägt ist. Oft unterstützen sie ihre Kommentare mit eingängigen Schlagworten und der Wiederholung von Ängsten des Publikums, wie beispielsweise die um Arbeitsplätze, die Bedrohung der Jugend oder der Gesellschaft, und warum es ohne dem neuen Zeugs besser für uns alle wäre.

Dabei erwecken diese Zyniker und Moralunternehmer den Anschein von Kompetenz und Expertise, und wenn sie ihre Argumente auch noch eloquent und TV-gerecht vorbringen können, dann umso besser. Doch sind sie wirklich intelligenter und kompetenter? Diese Frage stellten sich Forscher der niederländischen Universität Tilburg .

In der Studie The Cynical Genius Illusion: Exploring and Debunking Lay Beliefs About Cynicism and Competence untersuchen die Autoren aus den Daten von sieben von ihnen durchgeführten Einzelstudien, wie Zyniker gesehen werden und wie sie bei verschiedenen Aufgaben abschneiden. Dazu wurde den Testpersonen (den „Laien“) eine Liste an Aufgaben zugeteilt, die sie an eine Gruppe weiterer Testpersonen, die nach einem Persönlichkeitstest in zynisch und weniger zynisch eingeteilt worden waren, weiter verteilen mussten. Die Zyniker hatten Fragen wie „Die meiste Zeit sind die Menschen auf sich selbst bedacht“ zugestimmt. Die Laien wussten vor der Aufgabenverteilung, wer die Zyniker waren, und welche nicht.

In einer weltweiten Umfrage unter 200.000 Personen schätzten diese die Kompetenz und Expertise von Zynikern höher ein. Die Laien erwarteten von Zynikern, dass diese die Aufgaben besser lösen könnten.

Wie also schnitten die Zyniker bei der Lösung der Aufgaben im Vergleich zu den Nicht-Zynikern ab? Die Ergebnisse waren ernüchternd: Zyniker erwiesen sich als inkompetenter und dümmer. Zynismus mit einer Standardabweichung von 1 entsprach einer Standardabweichung zwischen 0,17 und 0,25 hin in Richtung weniger Kompetenz.

Zyniker zeigten sich dabei

  • weniger gebildet in 29 von 30 Ländern;
  • weniger belesen in 28 von 30 Ländern;
  • weniger gut in Rechenkenntnissen in 29 von 30 Ländern;
  • weniger gut in Computerkenntnissen in 23 von 26 Ländern.

Ihre Weltsicht lässt dabei eine aufrichtige Beschäftigung mit anderen Meinungen und Fakten nicht zu. Deshalb lernen Zyniker weniger, sie schließen sich in ihr eigenes Weltbild ein.

Eine andere Studie der Universität Edinburgh bestätigte diese Erkenntnis schon 2017. Kognitive Fähigkeiten stehen in einem negativen Zusammenhang mit Pessimismus und in einem schwachen oder leicht positiven Zusammenhang mit Optimismus.

Der amerikanische Komiker und Late-Night-Host Stephen Colbert fasste die Gefahr des Zynismus für das Glück und die Zukunft der Menschen in diesen Worten zusammen:

Denken Sie daran: Sie können nicht gleichzeitig jung und weise sein. Junge Menschen, die vorgeben, weise zu sein, sind meist nur Zyniker. Zynismus tarnt sich als Weisheit, aber er ist das Gegenteil davon. Denn Zyniker lernen nichts. Zynismus ist nämlich eine selbst auferlegte Blindheit, eine Ablehnung der Welt, weil wir Angst haben, sie könnte uns verletzen oder enttäuschen. Zyniker sagen immer „Nein“. Aber „Ja“ zu sagen ist der Anfang der Dinge. Indem wir „Ja“ sagen, wachsen die Dinge. „Ja“ zu sagen führt zu Wissen. „Ja“ ist für junge Menschen. Also sagen Sie „Ja“, solange Sie die Kraft dazu haben.

Zynismus und Negativismus scheinen wir immer wieder zu begegnen. Die Frage ist, woher kommen sie? Aus negativen Lebenserfahrungen? Aus einem Mindset, das durch Erziehung oder vielleicht durch gesellschaftliche Einflüsse kommt? Stammt es aus einem Gefühl der eigenen Überlegenheit?

Wäre mehr Menschen das Ergebnis dieser Studien besser bekannt, dann würden wir uns vielleicht doch mehr bemühen, positiver, optimistischer und mit weniger Zynismus in die Zukunft zu sehen, und vielleicht neue Aufgaben anzupacken, ohne schon vorher zu verzagen. Für Future Angst wäre dann kein Platz. Außer in Buchangst im Bücherregal!

Kommentar verfassen