Wenn uns diese Pandemie etwas gezeigt ist es vor allem eines: wie wenig wir wirklich wissen, wo sich in der Luft oder auf Oberflächen Krankheitserreger und gesundheitsschädigende Wirkstoffe befinden. Wir sind im Blindflug, wenn wir uns durch die Welt bewegen. Wir bewegen uns in Gefahrenzonen, ohne es wirklich zu wissen. Mit Radioaktivität haben wir zumindest Geiger-Zähler, die uns ständig anzeigen, wie viel radioaktive Strahlung uns umgibt, nicht aber mit Grippeviren und anderen Schadstoffen.
Wäre es nicht schön, wenn wir erkennen könnten, wie weit von einer hustenden Person die Tröpfchen fliegen? Welche Oberflächen von Selbstbedienungskassen in Supermärkten (unsichtbar) verschmutzt sind und gereinigt werden müssen? Wo sich gerade verstärkt Pollen befinden, die allergische Reaktionen auslösen können? Und wo und welche Gerüche und Schadstoffe sich in diesem Raum oder Gebäude befinden? Es gibt zwar eine Reihe von Simulationen, wie sich Aerosole und Schadstoffe in geschlossenen Räumen und Luft ausbreiten, aber noch wenig an praktischen Anwendungen.
Auch der Erfolg von Gegenmaßnahmen könnte so rasch überprüft werden. Ist der Bereich bereits ausreichend gereinigt worden? Fluoreszierende Zusätze in Desinfektions- und Reinigungsmitteln könnten rasch noch verseuchte Bereiche anzeigen. Oder entsprechende Lüftung die Mikrotröpfchen in einem Raum anzeigen und wie gut die Lüftung oder ein Filter wirkt.
Sensoren, die Gerüche, Viren oder chemische und biologische Stoffe in der Luft oder auf Oberflächen rasch erkennen, analysieren, quantifizieren und visualisieren können, sind heute fast gänzlich unbekannt oder nicht für die Allgemeinheit verfügbar. Die Schwierigkeiten, die es hier zu überwinden gilt, sind die Ausnutzung unterschiedlicher chemischer Eigenschaften der Schadstoffe, um zu bestimmen, um welchen Schadstoff es sich dabei handelt, die Mengenbestimmung, die Verortung, sowie die Visualisierung. Jeder Einzelne dieser Punkte stellt bereits hohe technologische Anforderungen dar, die nicht so einfach zu lösen sind und in naher Zukunft marktreife Produkte hervorbringen wird.
Die chemische, physikalische und medizinische Analyse stellt eigene Wissenschaftsdisziplinen dar, und die Analysegeräte verwenden nicht nur unterschiedlichste Methoden (Spektralanalyse, Chromatographie, Massenspektrometer…), sie müssen auch von Experten bedient werden, die Proben für die Analyse aufbereiten und die Ergebnisse interpretieren müssen. Ergebnisse sind in vielen Fällen nicht innerhalb von Sekundenbruchteilen, sondern erst nach längeren Zeiträumen verfügbar.
Trotzdem könnten für gewisse Schadstoffe solche Anwendungen viel Sinn machen. Man stelle sich vor, solche Technologie könnte in eine normale Brille als Augmented Reality-Technologie eingebaut werden und stünde Allergikern, Menschen mit geschwächtem Immunsystem, system-relevanten Beschäftigten und medizinischem Personal zur Verfügung.
Erste Ansätze, wie AR-Brillen mit thermischen Sensoren beispielsweise die Körpertemperatur und damit mögliche COVID-19-Infektionen detektieren kann, wurden von Librestream und Vuzix vorgestellt.

Wie wichtig solch Technologie sein kann, zeigt der Fall von Chormitgliedern in US-Bundesstaat Washington. In Mount Vernon, eine Autostunde von Seattle entfernt, trafen sich am 29. Februar knapp 60 der 121 Sänger zur regulären Chorprobe. Zwar waren bereits in Seattle selbst die ersten COVID-19-Fälle bekannt geworden, aber man wähnte sich in Mount Vernon noch sicher. Und offizielle Ausgangssperren waren auch noch nicht verhängt worden. Die zweieinhalb Stunden Gesangsprobe – trotz Abstand, den man vorsichtshalber voneinander hielt – hatte verheerende Auswirkungen. 45 Mitglieder waren drei Wochen später positiv getestet, drei lagen im Spital und zwei Mitglieder waren an COVID-19 gestorben. Die Chormitglieder hatten durch das Singen Aerosole ausgestoßen und eingeatmet, die über die Dauer fast jedes Mitglied erreichten und infizierten.
Man sieht, hier ergibt sich eine ungeheure Chance für Technologiefirmen, die diese Herausforderung anpacken wollen. Eventuell wäre ein Preisgeld in einem Wettbewerb, wie sie bereits beim XPrize für den Tricorder – das von der Serie Raumschiff Enterprise inspirierte Gesundheitsmessgerät – die beste Vorgehensweise, um hier Ansporn zu geben. Wie wäre es mit einem VisCorder?

„Forscher von Empa, ETH und Universitätsspital Zürich haben einen Sensor entwickelt, der das Coronavirus in der Luft aufspürt. Dieser Sensor könnte dereinst an Orten mit vielen Menschen eingesetzt werden oder in Spital-Lüftungsanlagen.
Der Corona-Sensor basiert auf winzigen Gold-Strukturen, so genannten Gold-Nanoislands. Auf diesen sind künstliche DNA-Rezeptoren angebracht, welche das Erbgut des SARS-CoV-2 erkennen, wie die Empa am Dienstag mitteilte. Coronaviren haben keinen DNA-Doppelstrang wie lebende Organismen, sondern lediglich einen einzelnen RNA-Strang.
Um zu zeigen, dass der Sensor das Virus erkennt, testeten ihn die Forscher mit einem nahen Verwandten des aktuellen Coronavirus: dem SARS-CoV. Bei diesem Virus handelt es sich um jene Variante, welche 2003 die Sars-Pandemie auslöste. Die Tests waren erfolgreich: Das Virus wurde erkannt, und dies innerhalb weniger Minuten.
Einsatzbereit ist der Sensor allerdings noch nicht. Es brauche noch einige Entwicklungsschritte, bis er beispielsweise im Zürcher Hauptbahnhof oder in einer Spital-Lüftungsanlage verwendet werden könne. Ist der Sensor aber einsatzbereit, könnte er helfen, Epidemien in einem frühen Stadium zu erkennen und zu stoppen, wie die Empa weiter schreibt. Das Prinzip des Sensors könne dann auch auf andere Viren ausgedehnt werden. (sda)“
https://www.tagesanzeiger.ch/coronavirus-news-kanton-zuerich-452644369922